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2013

Möbelstücke erzählen Geschichte

Der Beruf des Restaurators passt vermutlich wie kein zweiter zu den Oll’n Handwarkers. So hat der Worphauser Verein mit Roger Kossann einen Gleichgesinnten gefunden, der den Umgang mit alten Handwerksstücken zu seinem Beruf gemacht hat. Am morgigen Sonntag zeigt er beim 18. Gewerke-Schautag auf dem Lilienhof, wie man aus Alt eben nicht Neu macht, sondern gewissenhaft konserviert.

 

Werkstoffe für die Restaurierung werden teilweise nach historischen Rezepturen angerührt. © Foto: Henning Hasselberg

 

Lilienthal·Worphausen. Geschichten erzählen, das sollen Roger Kossanns Werkstücke. Der Restaurator, der morgen von 11 bis 17 Uhr beim Gewerke-Schautag auf dem Lilienhof Einblicke in seine Arbeit gewährt, will keine Illusion des Unbenutzten schaffen. Die Möbel, die er in seiner Bremer Werkstatt und am Sonntag ausnahmsweise in der Worphauser Scheune bearbeitet, tragen hinterher die Spuren ihrer Vergangenheit weiter in sich. „Das zu vernichten, wäre ein Frevel“, sagt der Autodidakt, der seit über 30 Jahren im Geschäft ist.

 

Er hat im Auswärtigen Amt und im Bremer Schwurgerichtssaal 218 gearbeitet, seine Stücke stehen im Dom und im Focke-Museum. Nach Worphausen hat Kossann eine klassizistische Kommode mitgebracht, um zu zeigen, wie der Zahn der Zeit an einem über 200 Jahre alten Möbelstück nagt – und was der Fachmann dagegen unternehmen kann. Sieben Generationen hat die Kommode überlebt, die vom westfälischen Möbelbauer Ferdinand Bartscher um 1780/90 gefertigt wurde. Da ist es nur normal, dass nicht jeder dem Stück größten Wert beimaß und es entsprechend behandelte, das weiß Kossann. Irgendwann galt es sicher als unmodern, die folgenden Besitzer fanden es dann wieder schick.

 

Fehlende Furnierstücke müssen millimetergenau eingepasst werden. © Foto: Henning Hasselberg

 

Deutlich sichtbar ist hingegen, wie auch ganz normale Benutzung dem massiven Eichenholz, das mit Nussbaum-Furnier und einigen Intarsienarbeiten veredelt ist, zugesetzt hat. Die meisten Schäden der Oberfläche sind naturgemäß rund um die Griffe und das Schloss entstanden. Denn früher wurden wertvolle Dinge in den drei Schubladen verwahrt, so dass sie natürlich abgeschlossen wurden. Der Clou dabei: Das eine Schloss der mittleren Schublade verschließt gleich alle drei. Dass ein dickeres Schlüsselbund dabei Beschädigungen hinterlässt, ist nicht verwunderlich.

 

Knochenleim wie vor 200 Jahren

 

„Die Oberflächen werden im wahrsten Sinn des Wortes nach Schäden abgeklopft.Der Fachmann kann hören, wo das Furnier locker ist und neu verleimt werden muss. Die schadhaften Stellen werden mit sogenanntem Sicherungsband abgeklebt, um sie einerseits zu schützen und andererseits später besser wiederzufinden. Manches Mal bleibt das Klebeband aber auch viele Jahre drauf; immer dann, wenn dem Besitzer – oft auch Museen – das Geld für die kostspielige Restauration ausgeht.

 

Der Bremer Restaurator Roger Kossann zeigt sein Handwerk an einer Kommode, die der westfälische Möbelbauer Ferdinand Bartscher um 1780 hergestellt hat. © Foto: Henning Hasselberg

 

An manchen Stellen fehlen ganze Furnierstücke. Diese werden millimetergenau nachgeschnitten, eingeleimt und mit großen Schraubzwinken festgepresst. Dafür rührt Kossann dann Knochenleim an – genau wie der Möbelbauer im 18. Jahrhundert. „Wenn der an allen entscheidenden Stellen über 200 Jahren gehalten hat, dann weiß ich, was ich habe“, sagt der Experte. „Das kann mir kein Hersteller moderner Klebstoffe versprechen.“ Und wenn, wie das überprüfen? Außerdem ist der Klebstoff notfalls durch Hitze wieder zu lösen.

 

„Wir arbeiten mit Luxus-Gegenständen“, ist sich Kossann bewusst. Er repariert eben nicht etwas, das nicht mehr funktioniert, sondern seine Arbeit dienst quasi einem höheren Zweck. Das muss man sich leisten können und wollen. Aber es gibt auch Abnutzungen, die nicht nur die Optik betreffen. Schubladen, die ein-, zweihundert Jahre lang auf- und zugeschoben werden, erzeugen Abrieb. Irgendwann sind die ebenfalls hölzernen Schienen tief ausgefräst. Klemme dann nicht nur die Kommode, sondern klemme es auch beim Geld, helfe eben nur mühevolles Ruckeln zum Öffnen oder Schließen, erzählt Roger Kossann mit einem leichten Grinsen.“

 

Solche Alterserscheinungen werden natürlich behoben, aber der Restaurator legt darauf Wert, dass er am Ende seiner Arbeit kein neuwertiges Möbelstück abliefert. Aus Alt mach Neu, das ist nicht sein Ziel. Die Spuren der Vorbesitzer können Geschichten, im besten Fall gar Geschichte, erzählen.Tintenflecken in einem alten Sekretär würde er niemals übertünchen, Antiquitäten heben sich durch individuelle Merkmale voneinander ab.

 

Letztlich bestimme die Geschichte auch den Preis mit, denn wenn sie sich so weit nachverfolgen lasse wie bei der Bartscher-Kommode, dann sei das wertsteigernd. Auch auf dem Antiquitätenmarkt gibt es Preisschwankungen, außer für absolute Spitzenstücke seien zur Zeit keine hohen Preise zu erzielen, berichtet der Fachmann. Das Möbel vor ihm, geschätzte 6000 bis 7000 Euro wert, siedelt er allerdings eher im mittleren Preissegment an. Es ist übrigens kein besonderes Vorführobjekt, sondern eine seiner aktuellen Auftragsarbeiten, die nach der Restauration weiter benutzt werden kann.

 

Der 18. Gewerke-Schautag der „Oll’n Handwarkers ut Worphusen un annere Dörper“ auf dem Lilienhof, Worphauser Landstraße 26b, beginnnt am Sonntag, 14. April, um 11 Uhr und endet gegen 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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