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2003

Im Zeichen des Wattebausches

Roger Kossann bringt achtzehn Leuchter fürs Auswärtige Amt zum Glänzen

 

(WESER KURIER, 17.04.2003, von Iris Hetscher)

 

Roger Kossann mit einem Putto, im Hintergrund sind die bereits fertig restaurierten Leuchter zu sehen.

Auf dem Tisch steht ein ehemaliges Gurkenglas, voll mit winzigen, pechschwarzen Wattebäuschen. Das Plastikfläschchen gleich daneben ist gefüllt mit einer durchsichtigen Flüssigkeit – ein Aufkleber identifiziert sie als „Balsam-Terpentinöl“. Genau danach riecht es auch in dem Raum. Kaum zu glauben, aber diese beiden Behälter haben ganz viel damit zu tun, dass die Bundesrepublik Deutschland sich im Ausland vernünftig darstellt.

Die dreckigen Wattebäusche und das Terpentin dienen Roger Kossann und seinen fünf Mitarbeitern dazu, 18 antike Leuchter wieder zum Glänzen zu bringen. Das, was derzeit in Kossanns Restauratoren-Werkstatt an der Stader Straße auf den Tischen liegt, hängt eigentlich in einem alten Patrizierhaus in Den Haag an der Wand.

Das Huis Schuylenbruch dient dem Deutschen Botschafter in der niederländischen Hauptstadt als Amtssitz. Das Patrizierhaus, das Anfang des 18. Jahrhundert gebaut und mit wertvollen Stuckarbeiten und Kunstgegenständen ausgestattet wurde, wird im Moment restauriert. Das betrifft nicht nur Wände und Böden, sondern auch das Mobiliar. Dazu gehören die achtzehn goldfarbene Leuchter in dem für die Zeit typischen verschlungenem Blatt-Design.

Roger Kossann hat sich im Oktober vergangenen Jahres zusammen mit einer Hamburger Kollegin um den Auftrag des Auswärtigen Amtes beworben. Ein unbeschriebenes Blatt ist der Bremer Restaurator für das Joschka-Fischer-Ministerium nicht: 1991 hat seine Werkstatt die Möbel für das Haus Marienburg überholt. So heißt die deutsche Botschaft in London.

Als Kossann im Januar den Zuschlag für den Auftrag erhielt, fuhr er zunächst nach Den Haag. „Das Huis Schuylenburch ist ein Gesamtkunstwerk, daher musste ich mir das Umfeld anschauen, in dem die Leuchter sich befinden“, erklärt er. Ein paar Wochen später trafen riesige Holzkisten in der Werkstatt ein, jede 1,60 Meter hoch und mit einem Volumen von satt eineinhalb Kubikmetern.

Weder Kossann noch seine Mitarbeiter legten Hand an die Kisten – eine Spedition, die auf Transporte von Kunst spezialisiert ist, packte die Leuchter aus. Und wird sie im Mai, wenn die antiken Stücke zurück nach Holland reisen, wieder einräumen.

„Schäden der Jahrhunderte“, so Roger Kossann, gilt es nun zu beseitigen. Was imposant klingt, umschreibt vor allem den Schmutz, der sich auf den Lichtspendern im Laufe der Epochen angesammelt hat. „Die sind wahrscheinlich ab und an abgestaubt worden, aber nie richtig gereinigt“, vermutet der Fachmann.

Das passiert jetzt. Man nehme: Einen Wattebausch mit Lösemittel und fummele damit vorsichtig an dem kostbaren Gut herum. So lange bis die Goldschicht wieder strahlt. Unter dem Dreck verstecken sich auch vereinzelte Macken, die werden dann nachgearbeitet, die Leuchter dazu teilweise in ihre Einzelteile zerlegt. Einige abgebrochene Teile mussten von einem Holzbildhauer nachgeschnitzt werden.

Am schlimmsten erwischt hat es zwei fünfarmige Leuchter, die von mopsigen Putten geziert werden. Bei diesen Exemplaren sind Dreck und fehlendes hölzernes Blattwerk das geringere Problem. Kossann sagt mit leicht amüsiertem Unterton: „Da hat mal jemand festgestellt, Mensch, da sind Macken dran, hat Goldbronze aus dem Baumarkt gekauft und die schnell drübergepinselt.“

Was einst eine Aktion von wenigen Minuten gewesen sein mag, kostet zwei von Kossanns Mitarbeiterinnen nun pro Leuchter zwei Wochen. Denn die Goldbronze muss wieder runter, und das ist keine Arbeit für Ungeduldige.

Danach werden die schadhaften Stellen mit Kreidegrund ausgebessert, auf diesen glatten Untergrund die hauchdünnen Blattgoldplättchen aus 22-karätigem Edelmetall mit einem Dachshaarpinsel aufgelegt. Danach wird das Gold mit einem Achatstein poliert. Ein Gutes hatte die Goldbronzenentfernungs-Tortur. „Unserer Praktikantin müssen wir jetzt nicht mehr eigens erklären, dass man dieses Zeug nicht benutzen sollte“, sagt Roger Kossann. Und schaut zufrieden auf die bereits komplett restaurierten Leuchter, die für kurze Zeit noch die Wände seiner Werkstatt zieren.

Roger Kossann ganz oben: In diesen Holzkisten werden die Leuchter zwischen Bremen und Den Haag hin und herstransportiert. (Fotos: Weser-Kurier, Frank Thomas Koch)

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