Windfang geht auf Reisen
Mit dem Fotoatelier sollte die Moderne in das Haus einziehen, etwas Besonderes, das bei den Kunden Eindruck macht. Und was konnte das anderes sein als der Jugendstil, wenn die Zeit, um die es geht, in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert liegt. Auf diese Machart hatte man sich festgelegt, so sollte es sein, um dem Fotografen das Geschäft zu erleichtern. Entstanden ist etwas derart „Feines und Reines“, wie die Restauratoren urteilen, dass es wert war, beim Abriss des Hauses gerettet zu werden und ins Museum zu wandern. Und jetzt? Jetzt steht das Exponat in Bremen, in einem leeren Laden im Postamt 5 am Bahnhof.
Es ist ein Windfang – dunkles Holz, große Pendeltür, Malereien, altes Glas. Ein Schmuckstück aus dem Braunschweiger Landesmuseum, das in Bremen neu zusammengesetzt und auf Vordermann gebracht wird, bevor es später im Jahr auf Rundreise durch die Museen in Amsterdam, Braunschweig, Karlsruhe und Brüssel geht. Immer dabei, jedenfalls bei Auf- und Abbau: die Bremer Restauratorin Karen Melching von der Firma Kossann & Melching. Ihre Werkstatt hat sie normalerweise woanders, sie ist für die aktuelle Arbeit aber zu klein.
Das Haus war ein Fachwerkbau in Wolfenbüttel. Die Tür rechts im Windfang führte zu einem Uhrmacher, links ging’s zum Fotografen, und die große Pendeltür war der Eingang zum Hof. „Wir vermuten, dass der Windfang im Jahr 1905 eingebaut wurde“, sagt Melching. Sie zeigt Bilder vom Original, mit dem Terrazzoboden und den großformatigen Wandmalereien oberhalb der Holzvertäfelung – zwei Frauen, die eine mit Stativ und Kamera, die andere vor einer Staffelei.
Als der Windfang ins Museum kam, wurde er nicht als Raum neu aufgebaut, das hätte zu viel Platz gekostet. Einzelne Teile des Exponats fanden sich stattdessen an den Wänden der Ausstellungsräume wieder. Jetzt erst wird der Windfang vollständig rekonstruiert. Die meiste Arbeit war dabei, ihn in ein Korsett aus Holzmodulen zu stecken. Seit Anfang März hatten sie damit zu tun, in Spitzenzeiten standen Melching fünf Helfer zur Seite. „Das ist wie bei Playmobil“, erklärt die 48-Jährige. Das Korsett mitsamt Inhalt kann so schnell auf- wie abgebaut werden. Einen Tag, länger dauert das nicht.
Typisch Jugendstil
Die knapp 1,60 Meter hohe Vertäfelung, auch Lambris genannt, besteht aus Nadelholz. In das Holz sind Tafelbilder eingelassen. Typisch Jugendstil. Hier und da musste nachbessert oder ergänzt werden, in einem Fall sogar im großen Stil, das war die Laibung einer Tür. Damit sie sich vom Original drumherum nicht allzu sehr abhebt, haben die Restauratorin und ihr Team mit Farbe experimentiert. Als Grundton Rotbraun mit einem Stich ins Orange. Schon in Ordnung, aber noch nicht richtig. „Es fehlte ein wenig Glanz, außerdem wollten wir einen wärmeren Ton, eine bessere Farbsättigung“, sagt Melching. Erreicht haben sie das mit Schellack aus der Bremer Schellackfabrik in der Überseestadt.
Restaurieren heißt probieren, sich annähern ans Original. Keinesfalls aber soll etwas übertüncht werden. Und deshalb wird die Pendeltür in der unteren Partie so abgeschabt bleiben wie sie ist. Mit dem Fuß dagegen, und sie schwingt auf. So war das vor 100 Jahren. Mit einem Rums eilig in den Hof hinein. Die Kunst am Bau, der Jugendstil – sehr schön schon damals, aber genauso auch etwas zum Gebrauch.
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