Polsterer macht kuriosen Fund in einer Bank aus dem Landgericht
Das Landgericht an der Domsheide zählt zu den prächtigsten öffentlichen Bauten in Bremen. Sowohl die Fassade als auch die Innenräume und das altehrwürdige Mobiliar haben Krieg, Bombennächte und Modernisierungswellen fast unbeschadet überstanden. Doch nach 115 Jahren waren vier Lederbänke endgültig durchgesessen.
Die guten Stücke waren der Landgerichtspräsidentin Karin Goldmann zu schade, um sie auf den Sperrmüll werfen zu lassen. Also, warum nicht rasch einen Polsterer bestellen und die Bänke etwas aufmöbeln? Doch das überschaubare Projekt gestaltete sich schwieriger als erwartet. Um den Lederbezug wie das historische Vorbild aus einem Stück fertigen zu lassen, mussten erst mal Rinder gefunden werden, die dafür groß genug warne. Doch solche XXL-Rinder laufen nirgendwo mehr auf der Weide herum. Die Mutantenkühe werden schlicht nicht mehr gezüchtet.
Restaurator Roger Kossann aus Bremen fand schließlich in Argentinien noch einen alten Posten Rinderhäute in Übergröße. Problem erkannt, Problem gebannt? Von wegen. Kaum waren dem Restaurator die Häute sicher, musste er wieder auf Suche gehen. Welche Gerberei war bereit, ihre Maschinen für so kleine Stückzahl einzustellen? Diesmal lag die Lösung nahebei. Der Auftrag ging nach Hamburg. Die Gerber von der Elbe mussten extra vier kräftige Männer abstellen, die die riesigen, vollgesogenen Häute aus der Flüssigkeit in dem Bottich wuchten konnten. Als dies geschafft war, musste noch ein professioneller Lederkünstler gefunden werden, der das originalgetreue Linienmuster in die Rückenlehnen schneiden konnte.
Auch die Prägevorlage für das Bremer Wappen, das jetzt silbern und rot hinterlegt auf jeder Rückenlehne glänzt, konnte der Restaurator mit einiger Mühe im Landgericht wiederfinden.
Beim Abpolstern stieß Roger Kossann dann im Rückenteil einer Lederbank auf ein altes, oft gestopftes Arbeitshemd. Es war sorgfältig zusammengefaltet worden. Wie alt es genau ist, kann niemand sagen. Fest steht nur: Das blaue Hemd war ganz offensichtlich jahrelang getragen worden. Hatte Roger Kossanns Vorgänger womöglich sein letztes Hemd beim Abpolstern für die Justizerei in Bremen geopfert?
Oder hatte er sich nur einen Scherz mit seinem verschwitzen Arbeitshemd erlaubt? Die vier Lederbänke zumindest sind jetzt fit für ihren Einsatz in den nächsten 115 Jahren im Bremer Landgericht. Sie werden den einen oder anderen Frust bei verlorenen Prozessen wohl abfedern müssen. Und wer weiß, vielleicht werden ja auch die Polsterer der Zukunft im Jahre 2225 in der Rückenlehne erneut fündig? Unsere Enkel werden’s erfahren.